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Einweihungen, Teamanlass und einige unterhaltsame Geschichten

Im Februar reisten Adrian und ich nach Madagaskar für ein grosses Ereignis: die Einweihung unserer NEXUS Centers. Dies war ein besonderes Erlebnis für uns und ein wichtiges Ereignis für unser lokales Team, die Dorfbewohner, unsere Partner und die Regierungsbeamten. Angesichts der aktuellen COVID-19-Situation war es unser letzter Besuch für eine Weile – jetzt erinnern wir uns an die denkwürdigen und fragwürdigen Momente zurück.

Die offizielle Einweihung von neuer Infrastruktur ist ein zentrales Ereignis, das zur Kultur der ländlichen madagassischen Bevölkerung gehört. In ihrer Tradition spielt die Ehrung der Vorfahren eine wichtige Rolle. Jedes neue Gebäude in ihrem Dorf erfordert eine Opfergabe, damit es von den Vorfahren akzeptiert wird. Die Dorfbewohner haben dieses Ritual geschickt zu ihrem Vorteil angepasst: Einweihungen werden schlicht als Party für das Dorf interpretiert. Regierungsbeamte kommen zu Besuch, das nationale Fernsehen ist anwesend, Reden werden gehalten, laute Musik wird gespielt, das Fleisch des geopferten Zebus oder der geopferten Ziege wird unter dem Volk verteilt, und, was am wichtigsten ist, es gibt Rum und Soft-Getränke. Die Dorfbewohner schätzen solche Veranstaltungen, alle ziehen ihre besten Kleider an und kommen zusammen, um zu feiern.

Die grossen Feierlichkeiten fanden in Beheloke und Itampolo statt, und wir durchschnitten die Einweihungsbänder in unseren fünf Centers Beheloke, Besambay, Befasy, Tariboly und Ambohibola. Das gute an der Aktion ist, dass die Infrastruktur von nemaco nun offiziell von den Lebenden und den Toten anerkannt ist, was bedeutet, dass die Vorfahren nicht mehr für schlechte Geschäfte verantwortlich gemacht werden können.

Inauguration locations

Wir nutzten die Gelegenheit, mit dem gesamten Team vor Ort zu sein, um am Tag nach den Einweihungen einen Team Event organisieren. Trotz einiger logistischer Herausforderungen (über die weiter unten zu lesen ist) gelang es uns, alle 40 Mitarbeitenden zu einer halbtägigen Veranstaltung in Itampolo zusammenzubringen. Nach einer köstlichen Spezialität zum Mittagessen (ebenfalls weiter unten zu lesen) forderten wir die Teams zu einem Spaghetti-Turm-Wettkampf heraus. In kleineren Gruppen diskutierten wir danach wichtige Themen für nemaco, z.B. was es bedeutet, ein Unternehmen und keine NGO zu sein, die Wichtigkeit von Naturschutzrichtlinien und Hygienemassnahmen für hochwertige Produkte, und wir sammelten ihre Ideen und Meinungen. Es war schön, den Teamgeist und die Motivation aller zu sehen, zur Mission von nemaco beizutragen. «Die Zusammenkunft war viel zu kurz» – so lautete das Feedback, das wir erhielten.

Die Fotogalerie fasst die drei ereignisreichen Tage zusammen.

Nach diesem offiziellen Intro nun zum Rückblick der fragwürdigen Momente (nicht zu ernst nehmen):

Die Hitze
Es war meine erste Reise nach Madagaskar in deren heissesten Periode – und ich war nicht darauf vorbereitet. Die Hitze war ein ständiger, nicht abzuschüttelnder Begleiter und machte jegliches Mühsal noch mühseliger. Wenn Ihr die nachfolgenden Geschichten durchlest, fügt dem Ereignis bitte jeweils 30°C und Luftfeuchtigkeit hinzu. Eine bildliche Darstellung: Die Arbeit im Büro wurde teils unmöglich, da die Tastatur mit dem von den Fingern heruntertropfenden Schweiss getränkt wurde.

Ein fantastischer Kontrast zur Hitze bot das T-Shirt des Kameramanns. Erspäht ihr den Aufdruck auf den Bildern unten? Solch kleine Details schaffen es jeweils, ein Lächeln ins Gesicht zu zaubern, selbst wenn das Programm 3 Stunden hinter dem Zeitplan zurückliegt…

«Es ist ein sehr straffer Zeitplan»
…sagte Vola, die Verantwortliche für das Program der Einweihungen, am Abend bevor wir in die Dörfer gereist sind. Daher erschien ich morgens um 5.30 Uhr am Dock (wie es der Zeitplan verlangte), um das Boot ins Feld zu nehmen. Saskia, unsere Landwirtschaftspraktikantin aus den Niederlanden, tat das Gleiche, denn auch sie hat ein gewisses westliches Gespür dafür, Zeitpläne einzuhalten, wenn sie wichtig zu sein scheinen. Wir waren weit und breit die Einzigen (ihr albernen Weissen, Zeitpläne so ernst zu nehmen). Auf meinen Anruft antwortet Vola, sie würde nun das Haus verlassen, und dass sie nicht erwartete, dass die meisten Passagiere vor 6.15 Uhr eintreffen würden. Es macht mir ja auch absolut nichts aus, 45 Minuten vor Sonnenaufgang an einem stinkenden Pier zu warten.

Von da an ging es abwärts. Gerade als wir endlich loslegten, entschied ein Passagier, dass er sein riesiges Motorrad noch mitbringen wolle. Mit Ach und Krach luden wir es an einem anderen Dock auf das zerbrechliche Boot und genossen eine entspannte Fahrt, während wir versuchten zu vermeiden, dass unsere Knie und Füsse zerschmettert wurden, während das Boot mit dem Motorrad über die Wellen ächzte. Als wir mit mehr als 1 Stunde Verspätung in Anakao ankamen, musste ich akzeptieren, dass jede Ambition, den geplanten Zeitplan einzuhalten, auf hoher See weggeweht wurde. Die offiziellen Gäste, die mit uns reisten, beschlossen, dass jetzt ein guter Zeitpunkt sei, sich zuerst für eine herzhafte Mahlzeit (es war 7 Uhr morgens) in das nächste Restaurant zu setzen, um etwas gegrillten Fisch und ein paar Bier zu geniessen – genau so, wie man ordentlich den Tag beginnt / die Zeit verrinnt.

Ich setzte mich an den Strand und versuchte, den Zeitplan zu vergessen, meine Fingernägel ganz zu lassen und mich in Madagassische Mentalität zu versetzen. Schliesslich kamen wir mit einer Verspätung von 3 Stunden in Beheloke an; alle Dorfbewohner standen bereit und warteten auf den Beginn der Einweihung. Zu meiner Bewunderung strahlten sie alle pure Ruhe aus und es schien ihnen nichts auszumachen, dass sie seit Stunden in der Hitze ausharrten.

«Ja aber natürlich, heiliger Politiker»
Die Ehrfurcht vor Hierarchien und die blinde Ehrung von Politikern ist in der madagassischen Kultur tief verwurzelt. Deren Taten und Handlungen werden nicht in Frage gestellt. Dies führt bisweilen zu Konflikten mit unserem Verständnis von der Rolle eines Politikers. Am ersten Tag der Einweihung war der Distrikt-Gouverneur anwesend – eine grosse Ehre für die Dorfbewohner. Er war bereits im Dorf, um den Ablauf der Veranstaltung zu besprechen, aber dann verliess er es nochmal, nur um mit seiner Auto-Karawane wie ein Popstar wieder einzufahren, um von der singenden und tanzenden Gemeinde gefeiert zu werden – dabei ist es irrelevant, ob er ihnen etwas Gutes getan hat.

Am nächsten Tag bei den Feierlichkeiten in Itampolo: Die beiden Gemeindevorsteher waren bei diesem Ereignis anwesend – während sie normalerweise das gute Leben in Dubai und in Tulear geniessen, weit weg von den Menschen, denen sie dienen sollen. Sie brachten grosse Unterstützung für unsere Aktivitäten zum Ausdruck – indem sie verlangten, dass wir unser Programm ändern, damit sie bei beiden Einweihungen gemeinsam anwesend sein können: die von Ambohibola (1,5 Stunden Fahrt nach Süden) und die von Tariboly (1 Stunde Fahrt nach Norden). Diese Diskussion wurden geführt, als wir bereits 1 Stunde zu spät waren, um mit den Feierlichkeiten zu beginnen. Ihre Bitte hätte den gesamten Zeitplan durcheinander gebracht, das Mittagessen wäre um 18 Uhr serviert worden. «Ja, natürlich werden wir es so machen», sagte Vola (man sagt nicht nein zu der Forderung eines Politikers). «Nein, das werden wir nicht», sagten Adrian und ich.

Bon appetit
Es war nicht das erste Mal, dass es mir Mühe bereitete, eine servierte Mahlzeit zu schätzen – aber dies übertraf alle bisherigen Gourmet-Erfahrungen (und verursachte sogar skeptische Blicke bei einigen unserer madagassischen Teammitglieder). Wir wurden nicht informiert, ob es eine lokale Spezialität war oder der Koch einfach zu spät mit der Zubereitung begann, so oder so, auf meinem Teller lag, nicht Ziegenfleisch, sondern zerstückelte Ziege. Mit Fell, Haut und allem, was zu einer lebenden Ziege gehört. Einfach zerhackt. «Mastoa», wie die Madagassen für «Bon Appetit» sagen – der Witz dazu ist, ‘mastoa’ wird wie ‘mange tout’ ausgesprochen – also, iss auf! 😉

Die Madagassische Art, Probleme zu lösen
Während Adrian und ich die Organisation der Einweihungsfeierlichkeiten ganz dem lokalen Team überliessen (wobei wir Verzögerungen und ein gewisses Chaos (fast) stillschweigend in Kauf nahmen), lag die Teamveranstaltung am dritten Tag in unseren Händen. Wir gingen das Programm am Vorabend akribisch durch und versicherten uns doppelt und dreifach, dass sie verstanden haben, wie wichtig es ist, sich an den Plan zu halten. Nur so konnten wir sicherstellen, dass alle Mitarbeiter der Centers in den weit auseinander liegenden Dörfern bis 10 Uhr morgens in Itampolo eintreffen würden. Um 9.45 Uhr fragten wir, ob es Neuigkeiten gibt, wie nahe der Lastwagen mit den Mitarbeitern aus dem Norden ist. Vola rief den Fahrer an, und die Antwort war «in Befasy».Unserem nördlichsten Dorf (siehe Karte). Mindestens 3 Stunden Fahrt auf sandigen, holprigen Piste entfernt. Und der Grund: Der Fahrer wartete dort seit drei Stunden, weil eine Mitarbeiterin noch nicht bereit war. Fantastisch, dachten Adrian und ich, damit wäre unser Team-Event beendet, bevor er überhaupt begonnen hat.

Das madagassische Team steckte die Köpfe zusammen. Sie realisierten, dass wir frustriert waren, und kamen mit einer Lösung auf uns zu: Der Fahrer werde einfach extra schnell fahren. Und wir werden zuerst zu Mittag essen (höchstwahrscheinlich der Grund für die ganze Ziege auf meinem Teller) und schneller essen. Kaum 2 Stunden später kam der Lastwagen mit zerzausten Mitarbeitern an, die über und über mit Sand bedeckt aus dem Lastwagen ausstiegen. Das schien sie kaum zu stören, im Gegenteil, sie waren dankbar, ein Mittagessen und ein T-Shirt zu bekommen und Teil des Anlasses zu sein. Und wir waren erstaunt, wie sie es wieder einmal geschafft haben, das Unmögliche möglich zu machen.

Source: nexus ch

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